Ein Mann gibt einem Obdachlosen Geld

Vertrauenswürdig?

Ist Gott eigentlich vertrauenswürdig? Als Christen würden wir das – zumindest nach außen hin – mit einem ganz klaren Ja bezeugen. Ist Gottes Wort, die Bibel, vertrauenswürdig? Die meisten Christen würden wohl auch diese Frage bejahen. Aber was ist dann mit herausfordernden Sätzen – wie z. B. „Glücklich ist, wer für die Armen sorgt“? Sind Enttäuschungen da nicht vorprogrammiert?

Ich lese morgens am Frühstückstisch oft eine kurze Andacht zusammen mit meinen Kindern. Vor ein paar Tagen musste ich erst einmal schlucken, was da als Bibeltext stand: „Glücklich ist, wer für die Armen sorgt. Wenn er in Not gerät, rettet ihn der Herr. Der Herr beschützt ihn und bewahrt sein Leben. Er lässt es ihm gut gehen und rettet ihn vor seinen Feinden. Der Herr stärkt ihn, wenn er krank ist, und hilft ihm wieder auf“ – so heißt es im Psalm 41, 2-4 (HfA).

Aufforderung

Es ist kein Geheimnis, dass Gott sich darüber freut, wenn wir uns um arme, schwache, gestrauchelte und verletzte Menschen kümmern. An unzähligen Stellen fordert uns die Schrift dazu auf. Aber kann ich wirklich eine Verheißung daraus ableiten „Wenn ich in Not gerate, rettet mich der Herr“?

Es werden doch auch Christen arbeitslos, geraten in Not und straucheln. Auch Christen werden von anderen Menschen und von üblen Umständen „bedrängt“. Und auch Christen werden krank. Ist die Bibel also wirklich vertrauenswürdig? Hat sie sich an dieser Stelle vielleicht geirrt – oder gilt der Text gar nicht uns, sondern nur den Menschen, die zur Zeit Davids gelebt haben?

Mein Charakter drängt mich dazu, möglichst schnell eine Lösung zu finden. Das naheliegendste, ist, den Fehler beim Menschen selbst zu suchen. Oft habe ich in frommen Kreisen den Frontalangriff gehört: „Wenn jemand in Not gerät, wenn Gott nicht eingreift, dann ist mit Sicherheit Sünde im Spiel!“ 

Andere verweisen darauf, dass das „System“ ja nur funktionieren würde, wenn alle Christen sich um andere sorgten, denn dann wäre natürlich auch immer jemand da, der mir auf die Beine hilft, wenn ich falle. Und wieder andere zeigen auf den späteren „Himmelslohn“, der uns ja alle erwarten würde. 

Achten und helfen

Wenn ich ehrlich bin, dann glaube ich nicht daran, dass Gott eine Art Schneeballsystem von uns erwartet, in dem jeder Hilfe bekommt, weil jeder eben anderen hilft – obwohl es uns wirklich guttun würde, wenn noch mehr Menschen auf andere achten und ihnen helfen würden.

Dass immer Sünde die Hilfe von Gott blockiert – obwohl das sicherlich auch geschieht – glaube ich auch nicht. Und alles nur auf später, auf den Himmel, zu schieben, das ist mir auch zu billig – obwohl das, was wir Himmel nennen, absolut großartig sein wird. 

Verlust und Trauer

Ich persönlich glaube an das, was hier steht. Ich sehe aber auch, dass mein Blick auf Erden sehr beschränkt ist. Ein kleines Unglück gestern Abend hat mir geholfen, das zu verstehen. Meine beiden Kinder haben ausgiebig, viel zu wild und viel zu laut im Zimmer meines Sohnes getobt. 

Plötzlich gab es ein Krachen – ein Blumentopf war vom Fensterbrett gefallen und kaputtgegangen; nicht nur irgendein Blumentopf, es war der erste und einzige, den Joshua bisher besessen hatte. Er war so traurig, dass er sich lange nicht beruhigen konnte. 

Sein Blick war so tief auf sein Leid gewandt, dass es uns als Eltern unmöglich war, ihn aus seinem Loch zu holen. Weder das Angebot einen anderen Übertopf zu kaufen, noch, dass wir ja in denselben Laden gehen könnten, um die gleiche Pflanze noch einmal zu kaufen, halfen. 

Mir wurde klar: Bestimmte Dinge, wie Verlust und Trauer sind Teil dieser Welt, in der wir leben. Und so sehr ich für meinen Sohn da war, ihn zu trösten versuchte, Lösungen suchte – es half ihm in dem Moment wenig. Käme jetzt jemand auf die Idee, ich wäre nicht für meinen Sohn da gewesen? Wohl kaum. 

Sein Versprechen gilt

Was Gott versprochen hat, das hält er. Es mag sein, dass seine Lösungen uns manchmal ebenso wenig trösten, wie das Angebot an meinen Sohn, einen neuen Übertopf zu kaufen. Aber sein Versprechen gilt. Aber – und das sollte nicht vergessen werden – wir sollten uns nicht nur die Rosinen herauspicken, denn der Vers im Psalm beginnt mit: „Glücklich ist, wer für die Armen sorgt. Wenn er in Not gerät, rettet ihn der Herr.“ 

Vielleicht sollten wir heute erst einmal mit dem ersten Teil beginnen und mit offenen Augen durch die Welt laufen und uns fragen: „Wo sehe ich Not? Wo kann ich helfen? Und wo kann ich Lasten mit tragen und somit Not lindern?“ Das ist ein guter Anfang.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de