Digitalisierte Welt

Gestern Abend las mir meine Frau Alexandra eine Passage aus irgendeinem Artikel irgendeiner Zeitung vor. Es ging sinngemäß darum, dass einigen gerade klar wird, was Lehrer im Alltag alles meistern müssen. Man erwartet von ihnen, dass sie alles können, dass sie eierlegende Wollmilchsäue sind (oder Eber eben). Und jetzt müssten die Lehrer noch mit den Tücken der digitalisierten Welt kämpfen – was, wie ich finde, viele wirklich großartig meistern.

Alles können

Als Pastor wurde von mir auch oft verlangt, alles zu können, vom Predigen über Pädagogik, Musik, Seelsorge, handwerkliches Geschick, technisches Verständnis für Sound und Licht bis hin zu Kreativität für Schaukasten und Gemeinderäumen. Und als Vater weiß ich auch, wovon ich spreche: Eltern können natürlich auch alles. Eltern haben immer ein offenes Ohr, Eltern reparieren, was kaputt ist, bespaßen bei Langeweile, kochen, waschen, räumen auf. Eltern sind Lehrer und Seelsorger, gleichzeitig aber auch Prellbock und Fußabtreter. Eltern müssen funktionieren – immer.

„Rolle“

Als Vater versuche ich, diese „Rolle,“ so gut es geht, auszufüllen – aus Liebe zu meiner Familie. Auch meinen Job versuche ich, so gut es geht, zu machen. Aber für mich selbst habe ich festgestellt: Ich muss keine eierlegende Wollmilchsau sein, und ich will keine eierlegende Wollmilchsau. Ich will es gar nicht versuchen – denn es brennt mich aus.

Den Akku aufladen

Wenn ich zu oft Sachen mache, die ich nicht (gut) kann und die ich nicht mag, merke ich schnell, wie mein Akku leer läuft. (Meiner Frau fiele jetzt sicherlich ganz schnell das Putzen der Wohnung ein – und ich hätte da auch so meine Liste.) Ich habe mir vorgenommen, mehr Dinge zu tun, die ich gut kann und für die ich Leidenschaft habe. Musik-Machen ist für mich so z. B. eine Aktivität. Ich will und werde natürlich meine Familie nicht vernachlässigen – aber ich denke, dass es wichtig ist, dass jede(r) seinen (ihren) Freiraum hat neben all den Dingen, wo wir im Alltag funktionieren müssen.

Gott hat uns nicht gleich gemacht. Wir sind unterschiedlich. Nicht jeder kann alles, aber jeder kann etwas. Nicht jeder hat für alles eine Begabung, aber jeder hat Gaben!

Das Leben leben

Wenn ich ein Leben leben möchte, das mich erfüllt und in dem ich nicht ausbrenne, dann ist es wichtig, dass ich heraus finde, wo meine Begabungen und Leidenschaften liegen – und es ist dann genau so wichtig, dass ich Dinge auch ausprobiere.

Wie der alte Mann, den ich kannte (er ist jetzt schon einige Jahre tot), der irgendwann in eine Klinik eingeliefert wurde, weil er zusammen gebrochen war. In der Therapie drückte man ihm Pinsel und Farben in die Hand und lud ihn ein zu malen. Und, was der Mann nie gedacht hätte – und auch nie ausprobiert hatte – es machte ihm wahnsinnig viel Spaß. Und er war begabt.

Gnade

Paulus spricht davon, dass Gott uns aus Gnade unterschiedliche Gaben gegeben hat. Es ist wirklich Gnade, dass ich nicht alles können muss, aber trotzdem vieles kann. Es ist eine Gnade, dass, wenn ich diese Dinge herausfinde, Gaben zu Leidenschaften werden können. Und es ist Gnade, dass ich erlebe, wie ich auftanken kann, wenn ich den Mut habe, Dinge zu tun, für die ich begabt bin.

Zeit für dich

Ich lade dich heute ein neben all dem wo du vielleicht auch „funktionieren“ musst (in der Familie, im Job), dir Zeit für dich selber zu nehmen, Zeit, in denen du Gnade Gottes erlebst, indem du erlebst, dass du begabt bist und deine Begabung dann auch ausleben kannst und Begabungen zu Leidenshaften werden. Das klingt vielleicht erst einmal ein Stück egoistisch – ist es aber nicht unbedingt, denn viele Ergebnisse von Begabungen erfüllen auch viele andere (wie das Bilder-Malen, Musik-Machen oder andere Dinge).

Ich wünsche dir Mut, ich wünsche dir Kreativität und ich wünsche dir die nötigen Freiräume im Alltag!

Sei gesegnet!

www.juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de