Kompromisse
Eines der Dinge, die wir unseren Kindern sehr schnell versucht haben beizubringen ist, Kompromisse einzugehen. Wenn man in einer Gemeinschaft zusammenleben möchte – und sei es eine kleine Gemeinschaft wie die Familie – dann geht es nicht anders als zu lernen, kompromissbereit zu sein. Wenn jeder versucht, seinen Willen durchzusetzen, dann wird das zwangsläufig in Zank und Streit enden. Es gibt aber einen Bereich im Leben, in dem wir lernen sollten, kompromisslos zu leben:
Als ich gestern meine beiden Kinder von der Schule abholen wollte, fuhr direkt vor mir ein Auto in eine gesperrte Straße hinein. Durch eine Baustelle ist für vielleicht 50 Meter nur eine Spur frei, weswegen die Einfahrt von der einen Seite her gesperrt ist. Aber es ist natürlich viel bequemer, einfach zu schauen, ob jemand kommt und dann rasch die paar Meter in die falsche Richtung hindurch zu flutschen, als einen Umweg zu nehmen. Wird schon nichts passieren.
„Wird schon nichts passieren“
ist oft eine Art Lebensprämisse für uns geworden. Ein weiteres Beispiel beim Autofahren ist, dass wir, wenn wir uns genau an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten (zumindest hier in Berlin) zum Verkehrshindernis werden. Wir loten also aus, wann ein Blitzer auslösen würde und versuchen dann so schnell zu fahren, dass wir diese Marke geradeso nicht kratzen. Also fahren die meisten Autofahrer etwa 59 km/h in der Stadt. Wird schon nichts passieren.
Wenn uns etwas unangenehm ist, dann greifen wir schnell zur Notlüge. Wenn wir zu faul zum Laufen sind, parken wird dort, wo wir nicht parken dürfen. Wenn wir denken, wir haben alles unter Kontrolle, halten wir uns nur bedingt an Corona-Schutzmaßnahmen – zum Beispiel, was das Treffen mit anderen angeht. Wenn wir ehrlich sind, leben wir ein Leben voller Kompromisse. Wird schon nichts passieren.
Und in den allermeisten Fällen geht auch alles gut. Ich weiß nicht, wann ich mein letztes teures Foto wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bekommen habe. Und weil wir so selten erwischt werden, denken wir, wir können bei Gott auch Kompromisse eingehen und Regeln aufweichen. Wird schon nichts passieren.
Wie denkt Gott über mich?
Zwei Dinge erstaunen mich dabei an meiner eigenen Einstellung selbst:
Ich erwarte von meinen Kindern, dass ich mich auf sie verlassen kann, dass sie sich an Regeln halten – und tue es selber nur bedingt. Wenn sie gegen Regeln verstoßen, zu spät nach Hause kommen, das Handy nicht von alleine weglegen, wenn die Zeit um ist oder ihr Zimmer nicht in Ordnung bringen, obwohl sie es zugesagt haben (usw.), dann konfrontiere ich sie damit und weise darauf hin, dass ich ihnen auch nicht in größeren Dingen trauen kann, wenn sie sich nicht an die kleinen Dinge halten. Wie denkt Gott da eigentlich über mich?
Ein zweiter Punkt ist, dass ich meinen Kindern immer wieder erzählt habe, dass Gott die Kontrolle hat, dass er allmächtig ist und allwissend und, dass er uns unendlich liebt. Auf der anderen Seite tue ich in meinem Leben so, als wäre Gott das alles nicht. Dass ich lange nicht erwischt wurde, lässt mich vielleicht übermütig werden, was die Geschwindigkeit beim Autofahren angeht.
Aber, nur, weil Gott mir kein Handy-Verbot gibt, mich nicht in mein Zimmer schickt oder sich sofort andere Strafen ausdenkt, wenn ich wieder einmal seine Regeln gebrochen habe, bedeutet das nicht, er hätte vielleicht nichts davon mitbekommen. Wenn ich so denke, dann ist das – mit Verlaub – ziemlich kindisch.
Im 1. Petrus 1, 6 (HfA) heißt es: „Wenn wir also behaupten, dass wir zu Gott gehören, und dennoch in der Finsternis leben, dann lügen wir und widersprechen mit unserem Leben der Wahrheit.“ Natürlich würde ich immer vor mir selbst und anderen behaupten, dass ich nicht (mehr) in der Finsternis lebe. Aber tue ich das wirklich nicht, wenn ich Gott so wenig ernstnehme und ein Leben voller Kompromisse lebe? Kann ich Licht und Finsternis eigentlich mischen?
Wird schon nichts passieren – oder doch?
Wie erkläre ich Gott eigentlich all meine Kompromissfreudigkeit, wenn er mich einst darauf anspricht? Ich denke, ich werde mich ähnlich schämen, wie mein Sohn, wenn ich ihn beim verbotenen Handy-Spielen erwischt habe. Eine Alternative wäre sicherlich, dass ich endlich mal anfange, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de