Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

„Bruno“ war in meiner Kindheit ein kleines Zeichentrick-Männchen aus der Werbung. In über 400 Spots machte der den Spruch „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ berühmt. Heute wäre eine solche Zigarettenwerbung nicht mehr erlaubt (und das ist auch gut so), aber damals kannte wohl jeder das sogenannte „HB-Männchen“. An allen möglichen Orten konnte man Aufkleber mit Bruno und dem guten Rat sehen: auf Autos, in Büros, selbst in Einkaufsläden.

Schnelles Mundwerk

Ich bin in meinem Leben (leider) manchmal wie Bruno. Wenn mich etwas ärgert, dann reagiere ich oft sehr (manches Mal zu sehr) emotional. Ich weiß, dass es gut wäre, erst einmal tief durchzuatmen und dann zu reagieren. Aber oft ist mein Mundwerk schneller als mein Hirn. Und anscheinend befinde ich mich in guter Gesellschaft, denn schon in dem vor fast 2000 Jahren geschriebenen Jakobus-Brief kann ich in der Bibel lesen:

Seid schnell bereit, zuzuhören, aber lasst euch Zeit, ehe ihr redet oder zornig werdet“ (Jakobus 1, 19) – und dass dieser Vers gleich am Anfang des Briefes zu finden ist, zeigt, dass das Thema damals anscheinend ebenso wichtig war wie es heute ist.

Die Zunge sitzt besonders locker

Gerade heute, wo man oft und gerne nicht mehr persönlich miteinander spricht und streitet, sondern seine Meinung über Themen und über andere in sozialen Medien publiziert, habe ich das Gefühl, dass die Zunge (oder eher die Tastatur) besonders locker sitzt. Es wird geschimpft und gezetert und übereinander hergezogen. Jeder hat recht und kaum einer gibt jemals nach. Das Wort „Entschuldigung“ könnte wohl aus dem Duden gestrichen werden, sieht man sich nur Einträge auf Facebook und Co. an.

Das Internet vergisst nie!

Ich habe recht und ich gehe für mein Recht auch mit dem Kopf durch die (virtuelle) Wand! Da habe ich einfach keine Zeit, über Gefühle (meine eigenen oder aber auch die meines Gegenübers) oder gar Formulierungen nachzudenken… Dumm ist nur,  dass das Internet „nie vergisst“. Und was ich bei einem leibhaftigen Gefühlsausbruch im Streit bei meinem Gegenüber anrichte, kann ich maximal erahnen. 

Tief durchatmen

Da bräuchte es wieder einmal neue „Bruno-Aufkleber“ (wenn auch nicht als Werbung für irgendwelche Zigaretten), die uns überall sichtbar mahnen: „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Eigentlich wissen wir, dass es gut ist, vor dem Betätigen des Mundwerks erst das Gehirn einzuschalten. Eigentlich wissen wir, dass es wichtig ist, erst einmal tief durchzuatmen und innerlich vielleicht bis zehn zu zählen, bevor wir antworten. Aber besonders wenn wir meinen, im Recht zu sein, dann funktioniert das oft nicht. 

Geschichte eines Kapitäns

Das erinnert mich an die Geschichte eines Kapitäns, die ich vor Jahren einmal gehört habe. Ich weiß leider nicht, ob sie wahr ist oder erfunden. Auch erzähle ich sie so, wie ich sie in Erinnerung behalten habe:

Der Kapitän eines großen Kriegsschiffes fährt gerade durch dichten Nebel, als der Mann aus dem Ausguck Lichter am Horizont erblickt. Er gibt dem Kapitän Bescheid. Der fragt, ob die Lichter sich bewegen oder stehen würden, ob das Kriegsschiff also auf Kollisionskurs sei. Der Mann im Ausguck erwidert, die Lichter würden sich nicht bewegen.

Kapitän Bruno funkt also, der andere solle um 20 Grad abdrehen, ansonsten würde man zusammenstoßen. Antwort: „Sie müssen um 20 Grad abdrehen, Sie sind auf Kollisionskurs!“ Bruno ist sauer und lässt funken: „Ich bin der Kapitän und fordere Sie auf, um 20 Grad abzudrehen!“ Antwort: „Ich bin ein einfacher Seemann und fordere Sie auf, den Kurs zu ändern!“ Nun wird Kapitän Bruno richtig böse und lässt funken: „Ich bin ein großes Schlachtschiff – drehen Sie sofort ab!“ Antwort: „Und ich bin ein Leuchtturm…“ Kapitän Bruno ließ schnellstmöglich den Kurs seines Schiffes ändern.

Bitten

Was mir in solchen Situationen, in denen ich kurz vorm Explodieren bin, hilft, ist innerlich ein kurzes Gebet zu sprechen: „Gott, schicke mir bitte jetzt deinen Geist, damit ich besonnen und in Liebe antworte – auch, wenn ich meine recht zu haben! Bitte Gott, hilf du, die Situation zu klären…“ (Hilft noch besser, als innerlich bis 10 zu zählen, weil Gott der Bitte gerne nachkommt.). 

Vom Ärger leiten lassen?

Ich kenne niemandem, dem das je geschadet hat, wohl aber viele Situationen in meinem Leben, in denen Türen zugingen, Zwischenmenschliches zerbrach, Konflikte eskalierten, weil ich mich von meinem Ärger habe leiten lassen und ich schnell bereit war zu reden und mich zu ärgern und langsam bereit war zuzuhören. Umgekehrt ist es richtig: „Sei schnell bereit, zuzuhören, aber lasst dir Zeit, ehe du redest oder zornig wirst.“ 

Ein Versuch ist es wert – oder?

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de