Abschied

Gestern war ein Tag voller Melancholie für mich. Nach über zehn Jahren habe ich mein Motorrad, meine alte Dame, die XT-600 weggegeben. Es hat sich einfach nicht mehr gelohnt, noch einmal Geld hineinzustecken, um sie zu reparieren. Stolze 30 Jahre hatte sie auf dem Buckel – und nun war der Moment des Abschieds gekommen.

Trennung

So ein Motorrad ist nur ein toter Gegenstand, den man irgendwann ersetzen kann, dennoch ist solch eine Trennung für mich nicht einfach. Mein Sohn Joshua begleitete mich auf der letzten Fahrt zum Händler, der sie mir als Ersatzteilspender noch für einen schmalen Taler abgekauft hatte. Auf dem Rückweg im Bus saßen wir uns schweigend gegenüber. Selbst er war mit seinen neun Jahren betroffen. Er kannte die Familie ja gar nicht, ohne dass ein Motorrad auf der Straße vor der Tür stand.

Trauriger Tag

„Alles hat seine Zeit“, schreibt Salomo in Prediger 3. Gestern war ein Tag, an dem ich wirklich traurig war, ein Tag, an dem mir wieder einmal bewusst wurde, wie leicht wir unser Herz an Dinge hängen.

Aufruf

Jesus spricht in seiner berühmten Bergpredigt (Matthäus 5-7) über eine ganze Reihe Themen – von dem, was Menschen glücklich macht, bis hin zum Aufruf zur Feindes-Liebe. Nachdem der seinen Freunden das Vaterunser lehrt und dem Aufruf, für wichtige Anliegen zu beten und auch zu fasten, fordert Jesus seine Zuhörer plötzlich auf: „Sammelt keine Reichtümer hier auf der Erde an, wo Motten oder Rost sie zerfressen oder Diebe einbrechen und sie stehlen können. Sammelt eure Reichtümer im Himmel, wo sie weder von Motten noch von Rost zerfressen werden und vor Dieben sicher sind. Denn wo dein Reichtum ist, da ist auch dein Herz“ (Matthäus 6,19-21).

„Bis dass der Rost uns scheidet“, das war gestern nicht zu übersehen. Und gestohlen hat mir vor Jahren auch schon mal jemand ein Motorrad – übrigens genau an Heiligabend. Und Kleidung geht irgendwann kaputt, ganz gleich, ob sie von einer teuren Marke ist  oder vom Discounter.

Sagt Jesus also: „Lass die Finger davon? Kauf dir kein neues Motorrad?“ Das ist nicht der Punkt. Was er uns mitgibt, ist, dass wir uns hinterfragen müssen, was uns wichtig ist im Leben.

Stellenwert

Wo investiere ich meine Zeit, mein Geld und mein Herz? Sind es materielle Dinge, so sind diese Dinge vergänglich. Auch ein neues Motorrad wird wieder alt werden, rosten oder kaputtgehen. Es ist nicht verkehrt, materielle Dinge zu besitzen, ich sollte mich aber fragen, welchen Stellenwert sie in meinem Leben haben. Manche Leute machen sich im Beruf kaputt, nur um etwas mehr „haben“ zu dürfen. Manche verschulden sich, nur, um mit einem „standesgemäßen“ Auto durch die Stadt fahren zu können.

Bedeutung materieller Dinge

Was bedeuten mir materielle Dinge im Leben? Wie viel Herz hänge ich an sie? Was investiere ich für sie? Und vor allem: Wäre mein Leben ebenso lebenswert, reich und erfüllt, wenn ich diese Dinge nicht mehr hätte? Ich muss jetzt melancholisch dabei zuschauen, wenn die Motorradgruppe meiner Gemeinde einen Ausflug macht. Aber macht das mein Lebensglück aus?

Wo ist men Herz?

Wo „mein Reichtum“ ist, ist mein Herz. Ja, ich werde mir sicherlich wieder ein neues Motorrad kaufen (um ehrlich zu sein, wir schauen schon nach rechts und links, ob wir nicht ein gebrauchtes entdecken). Aber viel mehr hat mir der gestrige, melancholische Tag wieder einmal bewusst gemacht, dass es viel wichtiger ist, darauf zu schauen, was wirklich wichtig ist im Leben. „Alles hat seine Zeit.“

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de