Mann - Bahnschienen - Wald

Theaterstück „Verlorener Sohn“

Als ich etwa 14 Jahre alt war, wurde ich von einem Klassenkameraden in die Jugend seiner Kirche eingeladen. Es waren die ersten intensiveren Berührungen, die ich mit dem Glauben hatte. Für einen Jugendgottesdienst bereiteten wir damals ein kleines Theaterstück vor, das vom sogenannten „verlorenen Sohn“ handelte. Ich sollte diesen Sohn spielen, erkannte damals aber darin natürlich nicht den tieferen Sinn, dass es gerade für mich gut war, sich mit dieser Rolle auseinanderzusetzen.

Spiegel vorhalten

Jesus selbst erzählt diese Geschichte, in der er uns Menschen – wie so oft – einen Spiegel vorhält: 

Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere Sohn sagte zu seinem Vater: „Ich möchte mein Erbteil von deinem Besitz schon jetzt haben.“ Da erklärte der Vater sich bereit, seinen Besitz zwischen seinen Söhnen aufzuteilen. Einige Tage später packte der jüngere Sohn seine Sachen und ging auf Reisen in ein fernes Land, wo er sein ganzes Geld verprasste (Lukas 15, 11-13 – Neue Leben Übersetzung).

Weg von zu Hause

Der Sohn möchte seinen Erbteil mit „warmer Hand“ – wie es im Volksmund heißt – ausgezahlt bekommen. Sein Plan: Er möchte weg von zu Hause, endlich auf eigenen Beinen stehen, endlich selber entscheiden können, endlich machen können, wozu er Lust hat. Er fordert zwar die Werte von seinem Vater ein, die ihm seiner Meinung nach zustehen, weil er sie nach dessen Tod eh bekommen würde. Aber er möchte nicht mehr, dass der Vater in sein Leben hineinredet – oder sich gar einmischt, was der Junge mit dem Geld anstellen möchte. 

Wenn wir unsere Sachen packen und ausziehen

Der Sohn wendet sich vom Vater ab – nicht nur von dessen Anweisungen, Regeln und Lebensstil, sondern auch von seiner Fürsorge und Lebenserfahrung. Er packt seine Sachen und zieht fort, weg vom Einflussbereich des Vaters. Jesus nutzt diese Geschichte als Vergleich, als Bild. Der Sohn steht dabei sinnbildlich für uns Menschen, der Vater für Gott.

Abwenden

Der Sohn – der Mensch – wendet sich ab von seinem Vater – von Gott. Er dreht ihm den Rücken zu. Oft habe ich das bildlich gezeigt, indem ich mich offensichtlich von jemandem weggedreht habe, um zu zeigen, dass, wenn ich jemandem den Rücken zuwende, ich ihn nicht mehr sehen kann. So kann ich Gott in meinem Leben auch nicht mehr sehen und erleben, wenn ich mich von ihm abwende.

Brauchen wir niemanden?

Jesus benutzt diese Geschichte als Bild für Menschen, die Gott in ihrem Leben nicht haben wollten (und wollen) – vielleicht aus denselben Gründen, weswegen der Sohn auszog. Wir brauchen niemanden, der in unser Leben reinredet, der uns sagt, was wir zu tun und zu lassen haben, der uns einen Moral- und Verhaltenskodex auferlegt. Spätestens seit der Pubertät wollen wir auf unseren eigenen Füßen stehen, wollen uns auf uns selbst verlassen.

Vergleich

Der Vergleich von Jesus ist richtig. Wenn ich Gott in meinem Leben nicht haben möchte, dann werde ich ihn nicht erleben. Wenn ich Gott den Rücken zuwende, werde ich ihn nicht mehr sehen können.

Der Vergleich geht aber noch viel weiter, denn der Sohn, der sich abwendet, ist eben der Sohn des Vaters! Wie oft wende auch ich als Christ mich in meinem alltäglichen Leben von Gott ab, wenn es um Entscheidungen geht, die zu fällen sind, wenn es um Finanzen geht (oh, wundes Thema …) oder um moralische Standards (auch ein sehr heikles Thema …), um Zeitmanagement und vieles mehr?

Ich bin mein eigener Herr

Schnell schlüpfe ich – auch als Christ – wieder in die Rolle eines pubertierenden Jugendlichen, der allein entscheiden möchte. Ich bin mein eigener Herr. Ich nehme gerne mit, was ich geerbt habe (meinen Wohlstand, meine Gesundheit, meine Zeit, meine Hobbys, meine Begabungen, meine Freunde, …) – möchte aber doch darum bitten, dass niemand mir in mein Leben hineinredet, was ich damit zu tun oder zu lassen habe.

Sachen packen

Ich ertappe mich manchmal, dass ich, wenn ich Gleichnisse von Jesus lese, mit einem Hauch von Arroganz auf andere schaue („Oh, da ist wieder so ein verlorener Sohn, der Gott den Rücken in seinem Leben zugewandt hat…“) – und dabei gar nicht merke, wie ich selbst schon lange meine sieben Sachen gepackt habe und „auf Reisen in ein fernes Land“ bin. Wenn ich mich von jemandem abwende, dann spielt es keine Rolle, ob es jemand ist, den ich eher ablehne oder jemand, den ich eigentlich lieb habe. Ich sehe ihn dann nicht mehr … 

Setze ich mein Ego auf den Thron meines Lebens?

Wann immer ich mein eigenes Ego auf den Thron meines Lebens setze, dann habe ich Gott immer entthront. Wann immer ich meine, meine Entscheidungen alleine fällen, mein Leben alleine bestimmen und die Messlatte meiner Moral selbst legen zu wollen, bin ich eben, wie der Sohn, der von zu Hause auszog.

Und, wenn ich ehrlich bin, dann geschieht das nicht selten.

Deswegen liebe ich diese Geschichte so, auch, wenn ich sie so gut kenne, dass ich (zumindest die Luther-Übersetzung) fast schon mitsprechen könnte. Sie wendet meinen Blick wieder. Wenn Jesus solche Geschichten erzählt, dann fällt es mir immer leicht, auf andere zu schauen („Hör gut zu, was Jesus dir zu sagen hat …“), aber Jesus spricht in gleichem Maße mich selbst an.

Packe ich meine Sachen und ziehe aus?

Es ist gut, sich immer wieder sein eigenes Leben anzuschauen. Wo gibt es Bereiche, in denen ich mich selber (wieder) auf den Thron setze, also bin, wie der Sohn, der seine Sachen packt und auszieht. Wo lehne ich mich gegen Gott auf, möchte nicht, dass er in mein Leben eingreift oder (mit)entscheidet? Und die große Frage ist: Warum ist das eigentlich so? Spannend…

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de