Telefonat

Vor ein paar Tagen habe ich mit einer alten Freundin telefoniert, mit der ich seit Jahren nicht gesprochen hatte. Wir plauderten, schwelgten in Erinnerungen und blinzelten ein Stück fröhlich in die Zukunft, denn sie möchte in ein paar Monaten heiraten – und ich darf auf ihrer Hochzeit – an ihrem großen Tag – dann predigen.

Freud und Leid

Wie so oft lagen Freud und Leid auch in diesem Gespräch dicht nebeneinander, denn, nachdem wir anfingen, euphorisch Pläne für ihren großen Tag zu schmieden – von Musik über die Location bis hin zum Blumenschmuck und vielem mehr – kippte die Stimmung von einer Sekunde zur anderen, als ich nach ihrer Familie fragte, die ich auch lange nicht gesehen und gehört hatte.

Vater verstorben

Die Freundin erzählte mir, ihr Vater wäre gerade erst verstorben, viel zu jung und ganz plötzlich. Man hätte sich abends noch über die Pläne der nächsten Tage unterhalten und wäre dann ganz normal, wie immer, ins Bett gegangen. Seine Frau hätte noch gehört, dass der Mann nachts auf der Toilette war. Am nächsten Tag dann wachte er aber nicht mehr auf – keine Anzeichen vorher, keine Krankheit, nichts. Das macht einen sprachlos. Der Mann war zwar keine 25 Jahre mehr, aber eben auch noch keine 90.

Das Leben ist kurz

„Mach mir bewusst, wie kurz mein Leben ist…“ wie oft habe ich diese Worte bei Beerdigungen gesprochen. Wie oft habe ich gesagt: „Wir alle haben nur dieses eine Leben, lasst uns das Beste daraus machen!“ Und wie wahr ist dieser Rat gerade im Angesicht eines so plötzlichen und unerwarteten Todes.

Gefangen in Gedanken

Und dann merke ich, dass das im Alltag so oft nicht klappt. Wie oft bin ich regelrecht gefangen in meinen Gedanken und Sorgen? Das sind oft unnötige Kleinigkeiten, wie: Was soll es morgen zu Essen geben? Müssen wir noch etwas einkaufen? Aber auch größere: Im Herbst wollte ich eine Hochzeit in den USA halten – wird das funktionieren? Sind bis dahin die Grenzen auf? Und was, wenn wir dann in Quarantäne müssen oder die Grenzen wieder schließen?

Ziel- oder planlos

Ich möchte nicht ziellos oder planlos durchs Leben gehen. Ich möchte aber auch lernen, den Moment an jedem Tag zu genießen – die umwerfende Natur im Briesetal z. B., durch das wir gestern spaziert sind oder die Begegnung mit der Nachbarin auf der Straße, das Spielen mit den Kindern, selbst das gute Essen oder auch nur den Duft der Blumen auf dem Tisch. Ich möchte lernen, dass weder das Morgen noch das Gestern mich gefangen nehmen.

Nutze den Tag

„Carpe Diem“ – nutze den Tag, hat schon Horaz in einem Gedicht vor über 2000 Jahren geschrieben. Recht hat er. Der Satz geht übrigens noch weiter: „Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!“

Das Ziel ist nicht, voller Angst davor durch das Leben zu laufen, dass mich der grimmige Tod jederzeit treffen könnte. Das Ziel ist es, den Moment an jedem Tag zu genießen, denn den kann mir niemand zurück bringen. Es geht auch nicht darum, völlig planlos zu sein und sich dann z. B. am ersten Urlaubstag zu fragen: „Und nun?“

Für mich bedeutet es, meine Tage weise zu nutzen, dass ich mich nicht mehr gefangen nehmen lassen möchte von Dingen, die viel unwichtiger sind, als das Hier und Jetzt.

Den Moment genießen

Einen Monat vor der Corona-Krise hätte niemand gedacht, dass die Welt sich auf einen Schlag so verändern würde. Hat sie aber. Was bin ich froh, dass meine Frau und ich noch ganz kurz vor dem Lockdown ganz romantisch zu zweit ins Restaurant gegangen sind, um den Moment zu genießen. Wann das wieder unbeschwert möglich ist, wissen wir nicht. Den Moment, den wir hatten, kann uns aber niemand mehr nehmen.

Bewusst machen

Gott, mach mir bewusst, wie kurz das Leben ist, damit ich meine Tage weise nutze – nicht in Angst und Sorge vor der Zukunft, nicht in Tag-Träumerei und auch nicht im Versinken in Erinnerungen, sondern, dass ich die Tage, die ich habe, wirklich mit Weisheit nutze und den Moment genieße – voller Vertrauen darauf, dass du, Gott, es gut mit mir meinst und dass du, Gott, einen guten Plan für mein Leben hast, den auch äußere Umstände nicht umhauen können!

Sei gesegnet!

https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de