Klagepsalmen
Der US-amerikanische Theologe Tremper Longman hat sich lange und intensiv wissenschaftlich mit den sogenannten Klagepsalmen in der Bibel beschäftigt. Er schrieb über seine Arbeit einen Artikel mit dem Titel „Getting Brutally Honest with God“ („Brutal ehrlich werden mit Gott“ – den Text in Englisch findest du hier). In ihm berichtet Longman, wie die Klagepsalmen über seine wissenschaftliche Arbeit hinaus sehr lebendig für ihn wurden, als sein Mitstreiter plötzlich und überraschend verstarb. Er schreibt: „Ich erinnere mich, wie ich immer wieder mit der Stirn gegen die Glastür der Dusche schlug. Mein Mentor und lieber Freund Ray Dillard war gerade im Alter von 49 Jahren gestorben.“
Und er fährt mit der Frage fort: „Gott, warum willst du mir so zeigen, was Klagen wirklich ist?“ – Gott hat ihn nicht vergessen!
Leid gehört zum Leben dazu
Auch, wenn ich fest davon überzeugt bin, dass wir ein Leben im Sieg leben können, weil Jesus den Sieg am Kreuz von Golgatha errungen hat und ein Leben in Fülle, weil Jesus nicht weniger als das versprochen hat, so gehören Leid, Trauer, Krankheit und Tod und das damit verbundene Klagen auch zum Leben von Christen dazu.
Gründe für Leid gibt es viele – der wichtigste ist, dass es das Böse auf der Welt leider gibt. Krankheit trifft Christen wie Nichtchristen. Nie ist versprochen worden, dass die, die Jesus folgen, alle so alt werden wie Vater Abraham. Auch Christen können jung und plötzlich sterben. Auch Christen treffen plötzliche Arbeitslosigkeit, finanzielle Nöte, kaum auszuhaltende Sorgen und Probleme.
Und ich kann verstehen, wenn Menschen in solchen Situationen sagen, sie könnten die fröhlichen Lobpreis-Lieder, die heute in so vielen Gemeinden jetzt gesungen werden, nicht ertragen. Wenn mich die Macht des Bösen mit voller Wucht trifft, dann kann ich nicht mit einstimmen in: „Halleluja, Gott du bist so groß und so gut!“ – dann geht es mir eher so, wie David, der in einem seiner Lieder schreibt: „Herr, wie lange wirst du mich noch vergessen, wie lange hältst du dich vor mir verborgen?“ (Psalm 13, 2 HfA).
Ich liebe dennoch moderne Lobpreis-Lieder und auch die Freude, die die meisten ausdrücken – weil sie eine Hoffnung ausdrücken und Zuversicht verbreiten!
Gott hat uns nicht vergessen
Als ich vor einigen Jahren das Kind einer Familie beerdigen musste, hatte ich große Angst davor. Aber schon beim Vorgespräch halfen mir (!) die trauernden Eltern. Natürlich waren sie über den Verlust ihres Kindes am Boden zerstört, aber sie hielten fest an Gott und betonten immer wieder: „Gott macht keine Fehler!“ Und sie sprachen es immer wieder aus: „Gott wird uns durch das Tal der Tränen hindurch führen. Wir werden nicht an dem Leid zerbrechen!“
Etwa ein Jahr nach der Trauerfeier sprach ich wieder mit den Eltern. Gott hatte sein Versprechen gehalten. Natürlich gab es immer noch Tage, an denen sie weinten. Natürlich war ihre Trauer noch da. Aber – und das berührte mich zutiefst – die Eltern hatten einen hoffnungsvollen Blick nach vorne wiedergewonnen.
Sinngemäß sagten sie: „Es sterben leider auch Kinder – auch kleine Kinder. Und wahrscheinlich hat Gott uns ausgesucht, weil er wusste, dass wir an dem Verlust nicht zerbrechen werden. Unser Kind ist bei Gott und damit an einem besseren Ort. Wir vermissen unser Baby sehr, aber wir erleben auch, dass Gott uns mehr und mehr Tage schenkt, an denen wir unser Leben genießen können… – Er hat uns nicht vergessen“ Was für ein Glaube!
Wenn das Leid dich trifft, wenn der Kummer dich zu erdrücken scheint, wenn Krankheiten dich plagen oder Sorgen und Trauer dein Leben belasten, dann gib nicht auf! Mach es wie David: Schrei es zu Gott hinaus, lass deine Trauer, deine Wut, deine Sorgen heraus. Manchmal haben wir das Gefühl, Gott hätte uns vergessen oder hält sich vor uns verborgen – aber das tut er nicht. Er weint mit uns, er leidet mit uns und er hat versprochen, dass er uns nie alleine lässt. Gott ist an deiner Seite, Gott verlässt dich nicht!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de