Frau sitzt am Wasser

Gebetsleben

Wenn Menschen mich fragen, warum in ihrem Leben so wenig geschieht, warum sie Gott so wenig erleben und warum sie nicht vorankommen, frage ich sie oft: „Wie sieht dein Gebetsleben aus?“ Die Antworten sind sehr unterschiedlich und haben sehr oft dennoch eines gemeinsam: Gebet ist für viele Christen Pflichtübung und Notnagel. Pflichtübung, weil man ihnen beigebracht hat, dass man zu bestimmten Gelegenheiten betet. In der Kirche zum Beispiel, da wird gebetet oder vor dem Essen beten nicht wenige.

Aber wenn ich mir diese Gebete anschaue, dann sind sie oft wie ein Ritus, der mir fremd ist. In der Kirche verändert sich die Stimme und die Sprache meist, wenn jemand mit Gott redet, so als ob das sein muss. Und das Tischgebet ist im Normalfall eine Art Mini-Gedicht, was brav aufgesagt wird.

Notnagel

Dass das Gebet Notnagel ist, das kennt wohl jeder von uns. Der Fahrstuhl bleibt stecken, das Auto streikt, die Angst vorm Fliegen kommt durch, das Problem türmt sich wie ein Berg vor uns auf oder die Diagnose war alles andere als rosig. Da kommt uns schnell ein „Bitte, lieber Gott … “ über die Lippen.

Manch einer, mit dem ich spreche, betet (fast) gar nicht, weil er denkt, er wäre nicht gut genug, nicht würdig genug oder nicht sündlos genug. Nun, wenn nur die Guten, die Würdigen und Sündlosen mit Gott sprechen würden, wäre Gott ziemlich einsam. Du musst nicht besonders gut sein, um mit Gott zu sprechen, das Gebet macht dich gut. Ernst gemeintes Gebet verändert einen Menschen.

Verse zum Thema Gebet

In der Bibel gibt es zahllose Verse zum Thema Gebet. Einer hat mich tief getroffen. Der Thessalonicher-Brief ist eines der frühesten erhaltenen schriftlichen Dokumente des Christentums. Paulus schreibt: „Betet unablässig! Dankt Gott für alles! Denn das ist Gottes Wille, und das hat er durch Christus Jesus für euch möglich gemacht“ (1. Thessalonicher 5, 17-18 BB).

Betet ohne Unterlass. Wie soll das gehe? Ich erkenne, dass Gebet etwas anderes ist, als mit meinen Kindern ein kleines Gedicht vor dem Essen herunterzuleiern, um Danke zu sagen. Es ist etwas anderes, als in bestimmten Formeln, in einer bestimmten Körperposition an bestimmten Orten Gott etwas zu sagen – vielleicht noch durch einen Vorbeter.

Immer und überall!

Ich denke, die meisten wissen gar nicht, dass man mit Gott auch im Supermarkt sprechen kann oder beim Frisör, auf der Arbeit und in der Mittagspause. 12 Uhr mittags: „Danke Gott, dass ich den halben Tag überstanden habe! Gib mir bitte die Kraft, die andere Hälfte auch gut zu meistern!“

Du kannst mit Gott immer und überall sprechen. Heutzutage ist die Scham scheinbar gänzlich gefallen, wenn das Handy klingelt und die beste Freundin anruft. Das halbe Restaurant oder die halbe U-Bahn wissen dann, was gerade abgeht, was passiert ist und was heute noch dran ist.

So sehr mich das manchmal nervt, dass Menschen anscheinend verlernt haben, was Privatsphäre ist, so sehr können wir genau aus so einer Situation lernen, wie wir mit Gott „unablässig“ reden können. Wenn das mit der Freundin überall und jederzeit klappt, dann geht das mit Gott auch.

Und wenn ein Telefonat mein Leben reicher macht, weil ich etwas erzählen konnte und Input erhalten habe, dann bereichert mich das erst recht, wenn ich mit Gott ernsthaft spreche – genauso ernsthaft wie am Telefon.

Gespräch mit Gott

Gott ist ein besserer Zuhörer als jeder Freund oder jede Freundin. ER ist ein besserer Ratgeber und hat bei weitem mehr Erfahrung und einen größeren Überblick als alle Menschen. Deshalb tun wir gut daran, Gebet nicht als Pflichtübung und Notnagel zu sehen, sondern das Gespräch mit Gott in unseren Alltag zu integrieren, es genauso als wichtig zu empfinden, wie das Atmen oder das Essen, das Zähneputzen oder das Fernsehschauen.

Wenn du in diesem Jahr (neu) durchstarten möchtest, dann gewöhne dir an, viel mit Gott zu sprechen und dir Zeit zu nehmen, auf ihn zu hören – mindestens so viel, wie du am Telefon sitzt – oder am besten noch mehr.

Sei gesegnet!

„Beten ist Verweilen bei einem Freund“ (Teresa von Avila).

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de