Selbsteinschätzung
Eigentlich müsste Jesus doch mit mir ganz zufrieden sein – so denke ich manchmal. Da ich mich für sein Reich einbringe, bin ich nicht so, wie andere. Ich versuche, mich von Lästereien fernzuhalten, lese manchmal in der Bibel, bete nicht nur für mich, sondern hier und da auch für andere. Ich bin kein geistliches Baby mehr, sondern schon ziemlich reif und cool, oder? Wie steht es mit meiner Selbsteinschätzung?
Und dann zeigt mir wieder jemand einen Spiegel, in dem ich nicht nur von mir sehe, was ich sehen möchte, sondern die „ganze ungeschminkte Wahrheit“ über mich selbst. Kennst du das auch?
Dinge für Jesus tun, die man nicht mag?
Mir ist es gerade so ergangen, als mich jemand fragte: „Würdest du auch Dinge für Jesus tun, die du gar nicht magst?“ Fast schon reflexmäßig antwortete ich: „Wieso sollte er mich das bitten? Jesus liebt mich doch und möchte, dass ich ein erfülltes Leben habe!“
Erst musste ich dann kleinlaut zugeben, dass ich meine Kinder ja auch lieben würde und ihnen ein schönes Leben schenken möchte. Und die müssten doch auch Dinge tun, die sie nicht mögen würden: Im Haushalt helfen, Zimmer aufräumen, Handy ausschalten.
Dann aber setzte mein Gegenüber noch einen drauf. „Manchmal gehört es zu Gottes Plan, dass unangenehme Dinge getan werden müssen. Deswegen noch einmal die Frage: Würdest du für Gott auch Dinge tun, die du absolut nicht tun möchtest?“
Halb ehrlich sagte ich noch: „Wenn sie notwendig wären …“, um mir dann selbst einzugestehen, dass das eine Frage ist, die ich mir noch nie gestellt hatte.
Drei Mal
Als Jesus im Garten Gethsemane kurz vor seiner Verhaftung war, stand er vor solch einer Entscheidung. Und es ging ihm damit alles andere als gut, denn er wusste, was ihn erwarten würde. „Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe“, sagt er noch zu seinen Freunden (Matthäus 26, 38 HfA).
Und dann bittet er sie, mit ihm zu wachen, entfernt sich ein Stück und spricht zu seinem himmlischen Vater: „Mein Vater, wenn es möglich ist, dann lass den Kelch an mir vorübergehen und erspare mir dieses Leiden!“ (Matthäus 28, 39 HfA). Drei Mal tut er das. Drei Mal!
Um es ein wenig platt zu sagen: Jesus hatte absolut keine Lust, das Leid auf sich zu nehmen. Er wollte nicht misshandelt, geschlagen und gekreuzigt werden. Aber er setzte den Willen Gottes über seinen eigenen Willen. „Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen“, spricht er im Anschluss (a.a.O.).
Setze ich Gottes Willen über meinen Willen?
Wenn es um geistliche Reife geht, dann ist dies ein gutes Maß: Wie sehr setze ich Gottes Willen über meinen eigenen Willen? Nicht den Willen der Gemeinde, nicht den Willen des Pastors, nicht den Willen von sonst wem, sondern den Willen von Gott?
Bin ich bereit, auch Dinge auf mich zu nehmen, die unangenehm sind, ja vielleicht weh tun. Und das mit dem Wissen, dass sie vielleicht nicht nur zu meinem Plan dazugehören, sondern „nur“ anderen zugutekommen?
Jesus hat es getan. Jesus hätte weglaufen können. Er hätte sich von Gott „retten“ lassen können. Er sagt dann bei seiner Verhaftung: „Ist dir denn nicht klar, dass ich meinen Vater um ein ganzes Heer von Engeln bitten könnte? Er würde sie mir sofort schicken“ (Matthäus 26, 53 HfA).
Er tut es nicht. Er ist demütig, er ist gehorsam, er unterstellt seinen Willen dem Willen Gottes. Was würde das mit uns und unserem Leben tun, wenn wir auch so reagieren würden? Wie würde das unser Umfeld verändern, unsere Gemeinden, unser Land, wenn wir so reif wären.
Vielleicht sollten wir im Kleinen anfangen und Gott bitten, uns zu zeigen, was sein Wille ist. Und dann Schritt für Schritt einen Fuß vor den anderen setzen.
„Herr! Was Dein Wille mir auch auferlege … Wie eine Krone will ich’s tragen – nicht wie Joch!“ (Richard Beer-Hofmann)
Sei gesegnet!
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de