Herber Beigeschmack

Ich lese gerade das Buch „Anna-Maria und die anderen 99 Schafe: Ein Gemeinde-Roman“. Es ist schon etwas in die Jahre gekommen, spielt Ende der 90’er Jahre, erinnert mich aber mächtig an meine erste Gemeinde, in der ich landete, kurz, nachdem ich Christ geworden war. Vieles in dem Buch ist zum Brüllen komisch, hat aber für mich immer einen herben Beigeschmack, denn, so manches, was satirisch etwas übertrieben dargestellt wird, zeigt ein ganzes Stück, wie so einige Christen und so einige Gemeinden bis heute sind.

Können wir Vergebung annehmen?

Ein Fakt ist, dass man manchmal das Gefühl hat, man käme statt zu einer Gemeindeveranstaltung eher in ein Treffen einer Trauer-Gruppe. Man hat sich gefälligst auf eine bestimmte Art und Weise zu kleiden und zu benehmen. Die Stimmung wirkt eher gedämpft, sodass man sich fragt, ob man wohl klatschen oder gar lachen darf.
 
Diese Stimmung gehört für einige Christen zu Christsein dazu. Es geht ja um so ernste Dinge, wie unser Seelenheil – und müssten wir eben am Leiden Christi teilhaben. Ich glaube eher, dass es vielen von uns nicht leicht fällt, die Vergebung Gottes in ihrem Leben anzunehmen, sonst wären wir fröhlicher.

In die weite Welt ziehen

Eine meiner Lieblingsgeschichten in der Bibel handelt von einem jungen Mann, der keine Lust mehr auf das Leben mit seinem Vater hatte. Er lässt sich sein Erbteil auszahlen und zieht in die Welt. Dort genießt er jeden Cent, bis das Geld eines Tages alle ist. 
 
Der Mann landet ganz unten, hat plötzlich keine Freunde mehr und muss, um überhaupt überleben zu können, Schweine hüten. Trotzdem leidet er furchtbaren Hunger. Als er so am Boden zerstört ist, schuldbeladen, deprimiert und beschämt, erwachte etwas in ihm. 
 
Er sagte sich selbst: „Selbst die Diener meines Vaters haben es besser als ich. Ich sitze hier im Schweinestall und suhle mich in meinem Scheitern und Versagen!“ Und dann trifft er eine Entscheidung, die sein Leben radikal verändern sollte.
 

Entscheidung

Ohne diese Entscheidung wäre der Mann vielleicht einer von unendlich vielen gescheiterten Menschen geblieben, so aber hat seine Geschichte es in die Bibel geschafft. Er sagt: „Ich will zu meinem Vater gehen“.
 
Gewissermaßen sagte er damit: „Ich bin selbst schuld an meinem Elend, aber ich lasse es nicht zu, dass ich in diesem Elend umkomme!“ Und hier kommt der Clou. Als er noch weit vom Hof seines Vaters entfernt ist, sieht der ihn schon (wie muss er seinen Sohn vermisst haben) und läuft ihm entgegen. 
 
Er lässt es nicht zu, dass sein eigener Sohn zum Diener degradiert wird, sondern nimmt ihn wieder als Sohn auf. Er kleidet ihn neu, steckt ihm einen Ring an den Finger, lässt ein Kalb schlachten und feiert ein großes Fest. 
 
Warum? Nicht, weil der Junge Fehler gemacht hatte, nicht, weil er gescheitert war. Er sagt: „Mein Sohn war tot, jetzt lebt er wieder. Er war verloren, jetzt ist er wiedergefunden“ (Lukas 15, 24 HfA). Jesus, der diese Geschichte erzählt, möchte uns damit zwei Dinge sagen: 
 

Es ist nie zu spät

Erstens: Es ist nie zu spät, zum Vater zurückzukehren. Er wird uns immer mit offenen Armen aufnehmen und wieder zu seinem Kind machen. Wir werden nicht zu Dienern degradiert, wir werden nicht für unsere Schuld bestraft. 
 
Zweitens: Wenn du dich entscheidest, zum Vater zurückzukehren, dann ist das ein Grund zur Freude. Wir dürfen feiern, uns freuen, tanzen und lachen – denn das gehört zu einem Fest dazu. 
 
Wenn du dich irgendwann in deinem Leben aufgemacht hast zu deinem himmlischen Vater, dann bist du sein Kind. Du brauchst nicht mehr im Büßergewand herumzulaufen, weil du einst ohne Gott gelebt hast, weil du Fehler gemacht hast, gescheitert bist. 
 
Nun bist du angekommen und angenommen. Gott hat dir mehr, als ein neues Gewand übergeworfen. Du bist sein Kind und darfst mit ihm feiern. Du musst nicht immer und immer wieder für deine Fehler büßen, der Preis ist schon lange bezahlt. Du bist frei. Und das darfst du in deinem Leben auch feiern!
 
So schwer das für uns zu verstehen ist, so wahr ist es. 
 
„Wenn wir über eine Sünde, nachdem wir Vergebung erfahren haben, noch lange grübeln, rauben wir Jesus und uns selbst viel Freude“ (Corrie ten Boom).
 
Sei fröhlich und sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de