Meinschen singen voller Freude und beten an

Oberhaupt Patriarch Kyrill I.

Patriarch Kyrill I. ist das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche und steht damit etwa 150 Millionen Christen in 20.000 Gemeinden weltweit und etwa 14.000 Priestern vor. Damit hat er einen ungeheuer großen Einfluss. Aber anstatt diesen für Friedensbemühungen in der Ukraine zu nutzen und sich als Christ klar von Gewalt zu distanzieren, gibt er ein furchtbares Statement nach dem nächsten ab. In seinen Ansprachen nutzt er das Wort „Krieg“ nicht.

So hat er, nur um ein Beispiel zu nennen, am vergangenen Sonntag den Überfall Russlands auf die Ukraine damit gerechtfertigt, dass seiner Meinung nach Gläubige in der Ukraine vor „Gay-Pride-Paraden“ geschützt werden müssten. 

Wie bitte rechtfertigt er es, dass Frauen und Kinder getötet werden, Menschen ihre Heimat verlieren und alles, was sie haben, dass tausende und abertausende Soldaten sich gegenseitig erschießen, mit seiner Homophobie?

Krieg – Kräfte des Bösen

Er nutzt bis heute in keiner seiner Ansprachen das Wort „Krieg“, vielmehr sprach er immer nur davon, die Gegner der russischen Armee in der Ukraine seien „Kräfte des Bösen“, die es zu bekämpfen gelte, um das „heilige Russland“ zu schützen. 

Krieg gutheißen, Bomben segnen, das hat leider eine lange Tradition – und besonders unser Land hat sich hier alles andere als mit Rum bekleckert. Beide großen Kirchen unterstützten den Ersten Weltkrieg lautstark mit heroischen Parolen. 

Und auch im Zweiten Weltkrieg wurden die Schäfchen von den Bischöfen treuer Pflichterfüllung an „Front und Heimatfront“ aufgefordert. Es gab Glockengeläut und Gebete für den Sieg. 

Berufen tun sich Christen dabei auf den Jesus, der gesagt hat: „Ihr aber sollt eure Feinde lieben und den Menschen Gutes tun“, auf den Jesus, der predigte: „Wie ihr wisst, wurde unseren Vorfahren gesagt: ›Du sollst nicht töten! Wer aber einen Mord begeht, muss vor ein Gericht gestellt werden.‹ Doch ich sage euch: Schon wer auf seinen Mitmenschen zornig ist, gehört vor Gericht“ (Matthäus 5, 21-22).

Wie kann ein Christ Krieg gutheißen?

Wie kann sich dann ein Christ – zumal das Oberhaupt einer Kirche – hinstellen und den Krieg gutheißen? Wie kann es sein, dass er Unrecht für Recht erklärt, Gewalt nicht verurteilt und den Überfall auf ein anderes Land mit „christlich-moralischen Werten“ begründet?

Man wird diese Haltung uns Christen zu Recht um die Ohren hauen, wie die Kreuzzüge im Mittelalter und die Unterstützung Hitlers durch die Kirche. Das macht mich traurig und wütend – und ich muss aufpassen, dass diese Gefühle nicht anfangen, meine Gedanken, mein Leben und meinen Glauben zu stark zu beeinflussen.

Denn, wenn ich mich von der Wut leiten lasse, ist das der erste Schritt in die eigene Schuld. 

Was gebe ich eigentlich für ein Bild ab?

Ich frage mich manchmal: Wenn Menschen die Kreuzzüge, die „Deutschen Christen“ in der Nazizeit oder Kyrill I. als Blaupause dessen sehen, „wie Christen eben sind“ – was gebe ich eigentlich für ein Bild ab?

Wenn die Menschen mich sehen und mich beurteilen, dann denken sie schnell: „Aha, das sind also Christen. So sind sie also … „

Ich lehne Krieg und Gewalt ab – aber ich habe genügend andere dunkle Flecken in meinem Charakter und meinem Leben, an dem man sich stoßen kann. Welchen Christus sehen sie also, wenn sie mich sehen? Bei Kyrill I. kommen wir Christen nicht gerade gut weg, um es gelinde zu sagen. Und bei mir?

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: „Ja, jeder kann sehen, dass ihr selbst ein Brief von Christus seid, den wir in seinem Auftrag geschrieben haben; nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes; nicht auf steinerne Gesetzestafeln wie bei Mose, sondern in menschliche Herzen“ (2. Korinther 3, 3 HfA).

So furchtbare Aussagen wie die des Patriarchen Kyrill I. machen wieder sehr deutlich – und das sollte uns selbst einen Spiegel vorsetzen: Wenn Menschen auf uns Christen schauen, dann denken sie, so wäre unser Jesus. 

Wir müssen und können deswegen nicht fehlerfrei sein, aber es gehört auch dazu, wie wir mit den Fehlern umgehen und welche Positionen wir im Leben einnehmen. Und meine soll sein: „Jesus first!“ (Zuallererst: Jesus). Daran soll man mich erkennen – und dafür müssen noch viele Schritte gegangen werden. Heute ist die Chance für den ersten!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de