„Ich warte auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen, ja, mehr als die Wächter auf den Morgen“, so heißt es in Psalm 130,6 (NLB). Und der Psalmist trifft mir mitten in mein Herz. Warten, das ist nicht jedermanns Stärke: Warten, bis wir an der Reihe sind, warten auf Nachricht, ob wir den Job bekommen, warten auf die Partnerin oder den Partner, warten und stehenbleiben, während wir sehen, dass andere an uns vorübergehen.
Das Warten fällt noch viel schwerer, wenn wir das Gefühl haben, dass wir mehr zu bieten haben, dass wir eine Begabung besitzen, dass wir berufen sind. Ich habe einmal den Satz gehört: „Stolz versucht, die Dinge zu erreichen, die Demut wartet ab.“ Demut vertraut auf Gott. Sie erfordert den Glauben, dass Gott uns zu seiner Zeit und auf seine Weise freisetzen wird, wenn wir uns nicht selbst vorantreiben.
Als ich vor Jahren in einem Jugendprojekt gearbeitet habe, gehörten am Ende des Abends Andachten dazu. Die Jugendlichen wussten das. Sie kamen auch Woche für Woche brav im Plenum zusammen, aber ebenso signalisierten sie Woche für Woche, dass sie keine Lust hatten, zuzuhören.
Ich gab mir wirklich Mühe, nutzte kleine „Zaubertricks“ und andere Anschauungselemente, aber das Interesse blieb weg. Oft sprach ich mit Gott über „meine“ Jugendlichen, besonders, wenn ich auf dem Weg wieder einmal mit dem Auto im Stau stand (und das tat ich oft). Scheinbar geschah bei den Kids nichts.
Ich wusste um meine Berufung, ich gab mein Bestes, ich wartete. Bis mein Einsatzort verlegt wurde, geschah nichts. Als ich Jahre später mit meiner Band in der Nähe spielte, tauchten auf einmal eine ganze Reihe der alten Jugendlichen auf. Ich war etwas verwirrt, denn wegen meiner Band konnten sie nicht gekommen sein.
Die Freude war groß und als ich sie ansprach, sagte einer: „Du hast uns damals eine solche Liebe entgegengebracht. Du hast jede Woche geduldig deine Andacht gehalten, hast uns erzählt, dass Gott uns liebt. Das hat uns zum Nachdenken gebracht. Und eine Reihe Kids der Gruppe haben sich dann für Jesus entschieden!“
Ich war sprachlos. Petrus schreibt: „Beugt euch also demütig unter Gottes starke Hand. Dann wird er euch groß machen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1. Petrus 5,6-7 BB). Wann wird Gott reagieren? Wenn die Zeit dafür gekommen ist. Und wann die Zeit gekommen ist, weiß nur er.
Das ist manchmal hart. Ich habe gelernt: Warten verändert. Es lässt mich meine Berufung besser erkennen, wenn ich die Zeit nutze, um mit Gott im Gespräch zu bleiben. Oft denken wir: Ich bin berufen, morgen rette ich die Welt. Das funktioniert leider in den seltensten Fällen.
Wenn erst einmal nicht geschieht, bist du hin- und hergerissen zwischen Frustration und Sehnsucht – dieses Wechselbad der Gefühle kann dazu führen, dass du deine Berufung aufgibst oder aber, dass du demütig wirst, dass du die Nähe Gottes suchst. Im Verborgenen und in der Hingabe wirkt Gott zu unserem Besten.
Wenn ich die Nähe Gottes suche, wenn er meine Berufung bestätigt, dann wächst mein Vertrauen, dann verwandelt sich Frust, aber auch in Spannung, denn ich weiß: Gott hat mich nicht vergessen. Er hat vielleicht ein anderes Timing, aber er hat mir meine Berufung nicht ohne Grund gegeben.
Ich warte mit Hoffnung, und Hoffnung setzt immer Hoffnung frei. Und wenn wir es wagen, weiter zu warten, ist das Ziel, von dem wir dachten, es läge auf der anderen Seite, am Ende der Reise, in Wirklichkeit direkt neben uns: Gott mit uns, neben uns und für uns.
Warten gehört zum Leben dazu. Worauf wartest du deiner Meinung nach im Moment? Wartest du aktiv (indem du Gottes Nähe suchst) oder passiv? Und wie kannst du das beste aus deiner Zeit machen?
Sei gesegnet!
„Wer hat schon Zeit zum Warten? Bei einem solchen Gedanken stöhnen wir. Doch Warten bedeutet nicht Nichtstun. Warten bedeutet, nach Gott Ausschau zu halten“ (Max Lucado).