Gedanken zum Tag
Nach einem Gottesdienst kommt ein Mann – kaum älter als ich selber – auf mich zu und spricht mich an: „Ich lese sehr gerne deine Gedanken zum Tag“, beginnt er das Gespräch, „aber ich muss sagen, eine Sache kotzt mich richtig an!“ Mich treffen diese Worte und ich fühle mich plötzlich ziemlich unwohl. „Du hast so viel Mist in deinem Leben erlebt, da kann ja keiner mithalten. Ich fühle mich da oft wie ein Christ zweiter Klasse!“ Ich versuche zu trösten.
Ich hake nach, denn ganz verstehe ich den Mann nicht und frage, was genau er damit meint. „Das Loch, aus dem Gott dich gerettet hat, war so tief, da ist es doch kein Wunder, dass du so eine enge Beziehung zu ihm hast. Aber ich, ich komme aus einer ganz normalen Familie. Meine Eltern waren Christen, ich bin ganz normal groß geworden, da habe ich doch gar keine Chance zu glauben, wie du glaubst.“
Auf den selben Berg steigen
„Mir hat mal jemand ein Bild mitgegeben, als es mir wirklich schlecht ging“, antworte ich meinem Gegenüber. „Wir müssen alle auf denselben Berg steigen. Jeder nur von einer anderen Seite. Mal ist mein Weg steiler und beschwerlicher, mal deiner. Aber der Berg ist derselbe!“
Und dann erzählt mir der Mann, dass er im Moment in seinem Leben ganz schön zu rudern und zu kämpfen hat. Jetzt, wo mein Weg gerade ziemlich seicht ist und ohne große Mühen zu bewältigen, ist seiner beschwerlicher.
„Wir leben in einer gefallenen Schöpfung. Die Erde ist nicht mehr so, wie Gott sie sich einst ausgedacht hat. Da gehört es leider dazu, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat. Aber“, und jetzt ist der Mann ganz Ohr, „zum einen glaube ich, dass Gott darauf achtet, dass wir unsere Lasten tragen können, und er hilft uns auch dabei, zum anderen sind schwere Zeiten sehr wertvoll für andere, wenn wir sie denn überstanden haben! Deswegen bin ich ein Stück dankbar, dass ich herkomme, wo ich herkomme, denn ich kann anderen, die aus der Gosse kommen, Mut machen!“
Durch ein dunkles Tal gehen
Jemand, der durch ein dunkles Tal gegangen ist, weiß, wie es sich anfühlt, wenn alles um einen herum dunkel scheint, wenn man keine Hoffnung hat und kein Licht am Ende sieht. Wenn er es aber geschafft hat, durch das Tal hindurchzukommen, wenn er erlebt hat, wie Gott einen an die Hand nimmt, trägt und tröstet, dann weiß er auch, dass es bei diesem Gott keine Einbahnstraßen gibt.
Und das ist gerade für die wertvoll, denen es aktuell gerade nicht gut geht. Paulus schreibt: „In allen Schwierigkeiten tröstet uns Gott, damit wir andere trösten können. Wenn andere Menschen in Schwierigkeiten geraten, können wir ihnen den gleichen Trost spenden, wie Gott uns geschenkt hat“ (2. Korinther 1, 4 NLB).
Niemand möchte durch Täler des Leids und der Tränen gehen. Doch jeder ist froh, wenn er dann jemanden hat, der einen wirklich verstehen und trösten kann, der einen an die Hand nimmt und ermutigt, einen stärkt, im besten Fall für einen betet.
Für andere dasein
Gott hat dich und mich dazu berufen, solch ein Mensch zu sein, der für andere da ist. Denn, auch wir klettern den Berg hinauf, sicherlich jeder von uns auf einer anderen Seite. Jeder von uns hat schon Zeiten durchlebt, in denen er Trost brauchte. Deswegen ist jeder von uns gut gerüstet, selber anderen Trost zu spenden.
Wir wurden quasi getröstet, um zu trösten. Und genau das sollten wir auch tun. Und wenn dein Leben bisher geradlinig und ohne Hürden und Täler verlaufen ist, dann solltest du dich freuen. Dann hat Gott sicherlich einen anderen Platz, wo du für andere Menschen da sein kannst.
Ganz so, wie ein altes Kirchenlied sagt: „Gut, dass wir einander haben, gut, dass wir einander sehn, Sorgen, Freuden, Kräfte teilen und auf einem Wege gehn. Gut, dass wir nicht uns nur haben, dass der Kreis sich niemals schließt. Und dass Gott, von dem wir reden, hier in unsrer Mitte ist.“
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de