König mit Krone und Laterne

Telefonat

Als mir meine Frau gestern lächelnd das Telefon in die Hand drückt, weiß ich: Das wird länger dauern. Das tut es immer, wenn diese Dame anruft. Eigentlich kenne ich sie kaum. Sie hat mich irgendwann einmal angesprochen, als ich zu Gast in ihrer Gemeinde zum Predigen eingeladen war. Dieses Mal machte mich ihr Anruf traurig und fröhlich zugleich. 

Zuerst klagte sie ein Stück ihr Leid, dass es mit ihr und ihrem Mann – beide nunmehr über 80 Jahre alt – bergab gehen würde. Das Augenlicht würde nachlassen, und die Füße wollten auch nicht mehr wie sie sollten. Sie drückte ihre Enttäuschung aus, dass ihre Gemeinde sich wohl kaum kümmern würde.

Begegnung

Ja, man kann auch mit seinem Ehepartner zusammen vereinsamen, denke ich mir. Aber es geht ihr eher um praktische Dinge, wie das Einkaufen, denn, so sagt sie: „Einsam sind wir beide nicht!“ Nicht? 

„Wir erleben, wie sich Gott ganz rührend um uns kümmert. Jeden Morgen, wenn wir aufwachen, haben wir das Gefühl, es läge schon eine Einladung von ihm neben unserem Bett. Dann schlagen wir die Bibel auf und lesen – auch, wenn uns das immer schwerer fällt. Jeden Morgen ist Gott da. Jeden Morgen begegnen wir ihm und reden mit ihm.“

Plötzlich hat sich die Stimme der alten Dame aufgehellt. Es klingt so plastisch, was sie erzählt, dass es mich ergreift. Obwohl sie enttäuscht ist von ihrer Gemeinde, erlebt sie Jesus jeden Tag aufs Neue. 

Und das ist eine der aufregendsten Dinge des Glaubens: Wir leben mit einem Gott, der sich danach sehnt, dass wir ihm begegnen. Gott ist kein schweigender Gott, kein aus der Ferne beobachtender – er ist ein Gott, der Begegnung mit uns haben möchte. 

Jeden Morgen lädt er uns – so, wie es die alte Dame beschrieben hat – ein, dass er uns mit seiner Liebe und seinem Frieden begleiten darf. Jesus sagt selber: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand mich rufen hört und die Tür öffnet, werde ich eintreten, und wir werden miteinander essen“ (Offenbarung 3, 20 NLB).

Licht der Welt

Als ich das erste Mal das Bild „Licht of the World“ („Licht der Welt“) von Holman Hunt (1851–1853) gesehen habe, hat mich total begeistert, wie der Künstler diese Worte von Jesus umgesetzt hat:

Jesus steht vor einer großen, schweren, alten Tür, die anscheinend schon lange nicht mehr geöffnet wurde, denn sie ist von großen Pflanzen ziemlich zugewachsen. Wie ein Nachtwächter, mit einer Laterne bewaffnet, klopft er an. Was auffällt, ist, dass die Tür außen keine Klinke, keinen Knauf und kein Schlüsselloch hat. Sie kann also nur von innen geöffnet werden. 

Hunt drückt wunderbar aus, was Jesus uns jeden Tag anbietet. Er sagt: „Ich sehne mich nach Begegnung mit dir. Ich möchte dich begleiten und leiten, mich mit dir freuen, dich aber auch trösten, ich will dich stützen, dir aber auch Türen öffnen, ich will dir vergeben und Gemeinschaft mit dir haben – aber ich kann nur anklopfen. Die Tür aufmachen musst du ganz alleine.“

Wohl dem, der die Einladung Gottes morgens neben sich sieht und beachtet, denn wer sie annimmt, der weiß und erlebt, dass er nie alleine ist. Gott ist ein Gott, der sich nach Begegnung sehnt.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de